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Zur Denkmodellevaluierung

erstellt von Jörg Dummann zuletzt verändert: 02.05.2017 08:29
Findet der ausgehend von einem einfachen Denkmodell postulierte Einfluss eines Leewellensystems auf meteorologische Parameter (Druckfall und Temperaturanstieg im Lee, Erhöhung der Windgeschwindigkeit in Kammlage, Verringerung/Variabilität derselben in Rotorlage...) seinen Ausdruck in (Mittelwerts-)Datenreihen, die an Bodenstationen entlang eines Luv-/Lee-Harzschnittes (Göttingen, Brocken, Wernigerode, Ummendorf) erhoben wurden?

Beschreibung des Leewellenereignisses:

Nach den Schilderungen von Christof und Karl-Heinz handelt es sich um ein schwach ausgeprägtes Ereignis sowohl hinsichtlich der angetroffenen Steigwerte (nur kleine Wellenamplitude) als auch der vertikalen Erstreckung ("aufeinander gestapelte Amplituden").

Insofern steht nicht zu erwarten, dass der hier betrachtete Einfluss auf die am Boden gemessenen Parameter sehr ausgeprägt sein wird.

Temp

Augenscheinlich bemerkenswert ist, dass die Wernigerode-Temperaturmittelwerte in dem fünfstündigen Zeitraum (0500-)0600 bis (0900-)1000 Uhr über denen der anderen Stationen in ungefähr gleicher Meereshöhe liegen. Ihr Maximum erreicht die Differenz (zur Lee-Station Ummendorf) in dem zweistündigen Zeitraum von (0800-)0900 bis (0900-)1000 Uhr. Gefördert wird er Eindruck dadurch, dass Ummendorf in diesem Zeitraum auch im Vergleich zur Station Göttingen relativ niedrige Temperaturen aufweist.

Sonnenscheindauer

Die Temperaturentwicklung im Bereich der Station Wernigerode kann während des zweistündigen Zeitraums von (0800-)0900 bis (0900-)1000 auch durch Sonneneinstrahlung beeinflusst worden sein.

Druck

In dem vierzehnstündigen Zeitraum von (0300-)0400 bis (1600-)1700 weist die Station Wernigerode - meist nur geringfügig - niedrigere Druckverhältnisse auf als die Luv-Station Göttingen und die weiter im Lee gelegene Station Ummendorf auf. Ein Maximum erreicht die Differenz in dem zweistündigen Zeitraum von (0800-)0900 bis (0900-)1000 Uhr. Dies entspricht dem Zeitraum, in dem das Maximum der Übertemperatur an der Station Wernigerode relativ zu den Stationen Göttingen und Ummendorf festgestellt werden kann.

LuvLeeDruckdiff

Noch deutlicher wird der relative Druckverlauf an den Stationen, wenn die auftretenden Druckdifferenzen selbst in einem Diagramm dargestellt werden:

Bei Interpretation der Daten entsprechend der Logik des zugrundegelegten Denkmodells sind die besten Wellenbedingungen von etwa 0800 - 1000 MESZ anzunehmen. In diesem zeitraum ist die Druckdifferenz zwischen Göttingen und Ummendorf maximal und auch die Station Wernigerode weist nochmals - mutmaßlich dynamisch vom Wellensystem bedingt - einen deutlich niedrigeren Druck als die in Ummendorf auf.

Ab 1700 MESZ wird die Druckdifferenz zwischen den Stationen Göttingen und Ummendorf zwar noch größer, aber zeitgleich ist der Druck in Wernigerode größer als in Ummendorf, was die Aktivität eines Wellensystems am Brockenmassiv zu diesem Zeitpunkt unwahrscheinlich erscheinen lässt. Diese Annahme wird gestützt von der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt der Frontdurchgang stattfand.

 

Windgeschwindigkeit

 

Windrichtung

 

Niederschlag

Lage der Stationen:

 

 Lage der Stationen

 

 

Diskussion der Schlüsselfaktoren:

Atmosphärische Schichtung

Ziel ist hierbei eine Abschätzung über das Ausmaß der Verengung des Strömungsquerschnittes über dem Gebirgskamm, verursacht durch eine stabile Schichtung der Atmosphäre in diesem Bereich. Im Idealfall ist die Höhe einer Inversion über dem Kamm zu ermitteln.

Die Übertragung von Temp-Werten größerer zeitlicher und räumlicher Distanz auf den Ort des Wellenereignisses und Zeitpunkt der Flüge ist aufgrund des offenbar komplexen Verhaltens der gestaffelten und wellenden, also beim Herannahen in Teilen stagnierenden, sogar wieder zurückweichenden Luftmassengrenze (vgl. DWD-Bodenanalysen), mit Unsicherheiten behaftet.

Die 00-Uhr Temps von Essen, Meiningen, Lindenberg und Bergen (ebenso der 06Z-Aufstieg von Bergen oberhalb einer nächtlich gebildeten Bodeninversion)) weisen im Bereich der Reibungsschicht der Atmosphäre, bezüglich der Höhenlage (Untergrenze: Boden bis ca. 600m) voneinander abweichende, hinsichtlich der Mächtigkeit von ca. 500m (+/-150m) aber tendentiell übereinstimmend, einen Höhenbereich mit stabilen Schichtungsverhältnissen auf. Weiter im antizyklonalen Bereich liegend, zeigt Lindenberg zusätzlich zwei Inversionen (1.300/1.400m - 0,2°C Temperaturzunahme) und (2.600/2.700m - 1,3°C Temperaturzunahme), welche sich eventuell in Reliktform auch weiter westlich  - evtl. in abweichender Höhenlage - manifestieren mögen (Meiningen zeigt ebenfalls zwischen 2.600m und 2.700m eine schwache Inversion mit 0,4 °C).

00Temps-Übersicht

Eine einfache Darstellung des in Radiosondenaufstiegen gemessenen Temperaturverlaufs mit der Höhe.

 

00Gradienten Übersicht

Die Darstellung der jeweils auftretenden Schichtungsgradienten in Bezug zum trockenadiabatischen Hebungsgradienten veranschaulicht die Stabilitätsverteilung mit der Höhe (unter Außerachtlassung von Wasserdampfkondensation!).


Leider fehlen von Lindenberg, Meiningen und Essen die 12Z-Aufstiege. Der Bergen-Temp zeigt zu diesem Zeitpunkt eine im Höhenverlauf bis 3.500m einzige, scharfe, kleine Inversion im Höhenbereich von ca. 700-800m (Temperaturzunahme ca. 0,8°C). Es ist nicht unplausibel anzunehmen, dass dies der Rest der durch turbulente Durchmischung aufgelösten mächtigeren, im 00Z-Temp abgebildeten Inversion in diesem Bereich ist.
Die nachfolgenden Aufstiege fanden postfrontal statt.

Der von Karl-Heinz im Brockenlee erflogene Temp zeigt eine deutliche, die weitere vertikale Wellenausbreitung verhindernde, kräftige Inversion in 1.900m, sowie isotherm geschichtete Bereiche zwischen 1.100-1.300m und bei ca. 1.600m.

Grundsätzlich gilt es bei dem Versuch, die Höhenlage einer Inversion über dem Harz durch den hier angestrebten Vergleich mit den in Radiosondenaufstiegen gewonnenen Temps zu bestimmen, zu beachten, dass die atmosphärische Schichtung im Harzlee durch die Wellenbewegung und Einflüsse aus örtlichen Kon- bzw. Diffluenzen eine vertikale Auslenkung erfahren haben wird. Gerade in dieser Situation können Abweichungen des flugzeuggestützt gewonnenen Temps zu dem eines Radiosondenaufstiegs dadurch entstehen, dass die beim Flugzeug in der Horizontalen im Vergleich zum Ballon ungleich weiter ausladenden Flugwege durch unterschiedlich temperierte Luftmassen auf gleichem Höhenniveau führen. Dies kann - bei entsprechend systematischer Durchführung - sogar zur Ermittlung der Wellenstruktur genutzt werden!

 

Zudem wird die Luftmasse beim Überströmen des Harz dynamisch (ggfs. zeitweise auch thermisch unterstützt) turbulent durchmischt, was letztendlich eine neutrale Schichtung bedingt. Für den Fall dass dieser Effekt sich in einer bodennah mächtigen, stabilen Schichtung abspielt, wird die Höhenlage einer Inversion durch die Mächtigkeit der Reibungschicht bestimmt.
Diese Mächtigkeit beträgt nach Georgii (1927) je nach Stabilität der Ausgangsluftmasse und der Gebirgshöhe (hier: 800m bis 1.500m) im Mittel 250m bis 400m.

Die Existenz des Gebirges bedingt so die Entstehung einer Inversion in einer Höhe, die es zulässt, dass sie zum Träger einer Schwingung wird, die wiederum von eben diesem Gebirge ausgelöst wird. 

Die größte Höhe des Brockenmassivs beträgt ca. 1.150m die mittlere Höhe des Unterharzes 500-600m.

Die Inbezugsetzung des von Karl-Heinz gemessenen Brockenlee-Temps zu den Ballontemps oder den Resultaten von Durchmischungsprozessen beim Überströmen des Harz über die obigen grundsätzlichen Erwägungen hinaus, müssen leider Spekulation bleiben - die hier nicht betrieben werden soll

 

Festlegung der Eckdaten
des von 1300 bis 1600 MESZ erflogenen Wellenereignisses zur Eintragung in ein um die Angabe der Höhe der zuunterst angetroffenen stabilen Schicht erweiterten Lester-Harrison Diagramms:

Luv(Göttingen)-/Lee(Ummendorf)-Druckdifferenz:
0,2 hPa  
(Wernigerode hat wiederum gegenüber Ummendorf einen um 0,5 hPa niedrigeren Luftdruck; eine Differenz, welche plausiblerweise dynamisch vom Wellensystem generiert worden sein mag, vgl.o.)

Windgeschwindigkeit auf dem Brocken:
lt. wetter24 durchschnittlich ca. 11 m/s (aus SSW)
lt. windfinder durchschnittlich ca. 12 m/s (aus S)
unbekannte Quelle aus Karl-Heinz' Bericht: durchschnittlich ca. 12 m/s (aus SW)

Höhe der untersten Stabilen Schicht:
lt. von Karl-Heinz erflogenem Temp: 1.100/1.200 m N.N.

(Es bleibt abzuwarten, ob die Auflösung und Qualität der vorliegenden Daten für die geplante Zusammenschau aller dokumentierten Ereignisse in einem erweiterten Lester-Harrison-Diagramm ausreichend ist! Weitere Infos folgen...)

 

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