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2 x Aschersleben

erstellt von Jörg Dummann zuletzt verändert: 02.10.2010 10:52
Bericht von Karl-Heinz Dannhauer, Aschersleben

IGC-File von Christofs Flug

 

Ausführlicher Bericht über die Wellenflüge am 24.09.2010

In der Vergangenheit wurde ich des Öfteren gefragt wie denn die meteorologischen Mindestbedingungen wären, die zu einer Leewelle am Harz führen. Ich hab dann immer nach bestem Wissen und Gewissen geantwortet und die Publikation von Carsten Lindemann 1999 zitiert (Quelle Lindemann, C. "DER LILIENTHALER" 1/1999). Er hatte damals als Voraussetzung für die Entstehung von Leewellen am Harz  eine Hauptwindrichtung von 210° +/-30° bei einer Mindestwindgeschwindigkeit am Brocken von 55 km/h bis 90 km/h angegeben. Neben den Windverhältnissen sollte eine Inversion von etwa 1°-2° Temperaturzuwachs auf 100 bis 200 m Höhenzunahme oder zumindest eine stabile Schichtung zwischen 1300 und 2200 m Höhe NN vorhanden sein.

Seit den Flügen vom 24.09.2010 wissen wir, das bereits bei Windgeschwindigkeiten von 43-45 km/h, registriert bzw. gemessen an der Brockenstation, eine fliegbare Welle am Nordostharz entstehen kann.

Doch nun etwas mehr zur Wellenlage am 24.09. 2010:

Wetterentwicklung: Die präfrontale Wetterentwicklung für den Harz hatte sich schon Mitte der Woche angekündigt und versprach für Freitag den 24.09.2010 eher marginale Windbedingungen. Der von Aschersleben relativ spät ausgelöste Wellenalarm war deshalb auch entsprechend zurückhaltend formuliert:

„Hallo Wellenfreunde ! Mit etwas Vorsicht möchten wir auf morgen, Freitag den 24.September hinweisen !Im Moment sieht es so aus als könnte eine kleine Wellensituation am Harz entstehen. Wir bekommen ca. 50-60 km/h Wind aus 210 Grad. Die Bedingungen am Riesengebirge werden vor allem in den Nachmittagsstunden deutlich besser sein - aber vielleicht haben wir am Harz auch ein bischen Glück. Für diejenigen, die es wagen und die Wellensaison am Harz eröffnen wollen können wir einen Flugbetrieb organisieren.“

Die nachstehenden Vorhersagekarten der präfrontale Wetterentwicklung zeigen auf der Bodendruckkarte eine günstige Verteilung der Druckgebilde mit einer antizyklonalen Isobarenkrümmung am Rande des Hochs  über Osteuropa, welches durch die Absinkinversion die Schwingungsfähigkeit der auf der Vorderseite des Tiefs herangeführten Luftmasse positiv beeinflussen kann. Leider zeigt die Vorhersagekarte des Windfeldes nur Windgeschwindigkeiten von  knapp 40 km/h im Höhenniveau von 880 m NN, das war  nach unserem Kenntnisstand eher zu schwach für eine Wellenentstehung am Nordostharz.

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Abb. 1: Die obere Vorhersagekarte  für den 24.09.10  00 UTC zeigt die zu erwartende präfrontale Situation aus der sich die SW-Strömung ergibt. Die  Windvorhersagekarte vom Vortag verspricht im Höhenniveau des Unterharzes leider nur schwachen Wind, der deutlich unterhalb der für eine Wellenauslösung am Harz nötigen Windgeschwindigkeit liegt.

 

Trotz der eher dürftigen Aussichten für den 24.09.2010 hatte sich die „Ascherslebener Besatzung“ auf einen Flugbetrieb eingestellt und ich hatte unsere Stemme, die nach einem längeren Werkstattaufenthalt, wieder in die Luft gebracht werden musste, für einen eventuellen Wellenflug präpariert.

Auch Christof Maul (Akaflieg Frankfurt) war nach einer telefonischen Abstimmung mit seiner LS 3 nach Aschersleben aufgebrochen.

Als wir uns in Aschersleben gegen Mittag den Brockenwind im Internet anschauten war die Stimmung nicht sehr euphorisch. Der Wind am Brocken kam aus S  mit nur 43 km/h. Beim genaueren Hinsehen und im Glauben an die Vorhersagekarten des DWD schöpften wir aber wieder etwas Hoffnung weil der Wind vom Boden bis in sehr große Höhen aus der gleichen Richtung wehte. Also eine sehr richtungsstabile Anströmungssituation bis in sehr große Höhen.   

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Abb. 2: Windvorhersagekarten des DWD von 11 UTC in 2000 ft links und FL 100 rechts. Das aktuell vorhergesagte Wind für 14 Uhr Ortszeit zeigt eine sehr richtungskonstante Strömung mit Windgeschwindigkeiten von knapp 40 km/h in 600m und 55 km/h in 3000m.


Aus früheren Erfahrungen wussten wir, dass für die Auslösung einer Welle die Richtungskonstanz des Windes und die optimale Schichtung der Luftmasse eine entscheidende Rolle spielen und deshalb auch bei schwächerem Wind eine Welle entstehen kann. Motiviert waren wir auch durch die leichte Ostkomponente des Windes am Flugplatz Aschersleben, die einen Start auf der 11 problemlos ermöglichte. Christof war mutig und ließ sich als Erster von unserem Motorsegler bis nach Ballenstedt schleppen wo er in ca. 1500 m mit seiner LS 3 ausklinkte. Sein erster Funkspruch war – ich kann mich mit 0,3 m/sec Steigen halten. Die von ihm durchgeführten Windmessungen lagen bei max. 45 km/h mit Windrichtung S bzw. SW. Die Windstärke am Brocken betrug zu dieser Zeit 40 km/h aus 200°.

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Abb. 3: Windstärke und Windrichtung am Brocken während der Flüge.

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 Abb. 4: Die Wellenvorhersagekarte des DWD von 11 UTC in FL 50 versprach für 14 Uhr Ortszeit ein Wellensteiggebiet westlich von Ballenstedt mit den größten Steigwerten im Lee des Brockens.

 

Ich startete mit der Stemme gegen 14 Uhr lokal und hatte mir vorgenommen das gesamte Leegebiet nach Westen abzufliegen um die Lage eventueller Steiggebiete bei diesen schwachen Windverhältnissen zu erkunden. Kurz hinter dem Brocken war Schluss - hier regnete es zum Teil kräftig. Im Grenzbereich zu diesem Niederschlagsgebiet, also etwas westlich vom Brocken, stellte ich das Triebwerk ab und konnte im Lee des Oberharzes zunächst mit 0,8 m/sec steigen. Hier beobachtete ich in Richtung Brocken kontinuierlich entstehende Rotorwolken (vergl. Abb. 6 ).

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Abb. 5: Flugspuren der Wellenflüge vom 24.09.2010 (Google Earth) mit Kennzeichnung der Steiggebiete. Track log blaue Linie zeigt den Flugweg der LS 3 (Christof Maul Akaflieg Frankfurt) mit Schleppflug in das Steiggebiet des Unterharzes und lila die Flugspur der Stemme (Karl-Heinz Dannhauer FC Oschatz) mit dem gelb gekennzeichneten Steiggebiet im Brockenlee.

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 Abb. 6: Rotorwolken im Lee des Brocken markierten die schwachen Steiggebiete bei der „Mikrowelle“ am 24.09.2010. Die Blickrichtung ist Süd bis Südost - am unteren Bildrand erkennt man den südlichen Stadtrand von Wernigerode.

 

Beim Verlagern nach Westen touchierte ich immer wieder einen Bereich mit leichtem Nieselregen, der aber zunächst noch das direkte Brockenlee aussparte. Nach ca. einer halben Stunde begann es auch im Lee des Brockens zu regnen und ich versuchte eine gute Linie für den Rückflug in die von Christof markierten Steiggebiete am Unterharz zu finden. Sowohl im Lee des Oberharzes als auch im Übergangsbereich zum Unterharz passierte ich mehrmals ein Gebiet mit ausgeprägtem „Limousinenschaukeln“ ! Auch Christof berichtete nach seinem Flug davon, dass er im  Bereich Thale/Quedlinburg durchgeschaukelt wurde. Er hatte verbissen auf einer Linie zwischen Ballenstedt, Quedlinburg  und Thale im Auf und Ab der schwachen Welle gekämpft und sich immerhin über 2 Stunden  halten können. Am Schluss kam er sogar nochmals an seine Ausklinkhöhe heran.

Bei meinem Rückflug fand ich kurz vor Ballenstedt wieder ein bescheidenes Steiggebiet aber nur mit max. Steigwerten von 0,3 m/sec. Das reichte für die Stemme nicht aus um wirklich Höhe zu machen. Christof hatte ebenfalls Höhe verloren und war zu diesem Zeitpunkt bereits im Landeanflug auf Aschersleben. Da ich beim gesamten Flug eine GPS-gestützte Temperaturaufzeichnung vornahm nutzte ich meine Resthöhe um die Temperaturschichtung großflächig im Lee des Unterharzes aufzuzeichnen.

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Abb. 7: Der gerechnete Temp (RASP- danke Hendrik !) von Bad Gandersheim also aus dem Luv-Bereich des Harzes zeigt das schwache aber richtungskonstante Windfeld in der Anströmungszone (Luv) des Harzes. Erkennbar ist auch eine Isothermie zwischen 600 und 1800 m NN.

 

Der gerechnete Temp von Gandersheim (im Luv des Harzes) zeigt neben dem sehr konstanten Windfeld aus 200° eine deutliche Isothermie zwischen ca. 600 m und 1800 m NN. Die Windgeschwindigkeit im Höhenniveau des Brockens wird hier nur mit knapp 30 km/h angegeben. Also insgesamt eher magere Bedingungen für eine Leewelle am Nordostharz.

Wie konnte trotzdem eine Welle entstehen ?

 

 

Vollständig können wir diese Frage im Moment natürlich nicht (noch nicht !?) beantworten. Aber - wir können versuchen die praktischen Aspekte bei der Flugdurchführung selbst und die Beobachtungen beim Wellenflug mit den „harten Fakten“ der meteorologischen Daten abzugleichen um dabei auch die Vorhersagemodelle kritisch zu hinterfragen.

Wobei um an den letzten Punkt anzuküpfen – sowohl die Vorhersagekarte des DWD als auch die RASP-Karten zeigten eine beeindruckende Übereinstimmung zwischen Vorhersage und Realität.

Schauen wir uns auch dazu den von mir aufgezeichneten Temp beim Aufstieg im Harzlee an.

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Abb. 8: Das Diagramm zeigt den geflogenen Temp beim Aufstieg im Brockenlee. Die gelbe Ellipse zeigt den Bereich einer beginnenden Inversion die das Steiggebiet im Brockenlee noch oben begrenzte. Die rote und grüne Ellipse zeigt isotherme Bereiche im Aufstiegstemp.

 

Ab ca. 1600m erfolgte der Aufstieg mit abgestelltem Triebwerk im Lee des Brockens. Die Steigwerte lagen zunächst bei ca. 0,8m/sec und wurden mit Höhengewinn deutlich schwächer. Bei 1900m NN sistierte das Steigen und ich brach den Flug im Brockenlee ab. Die letzten Temperaturwerte beim Aufstieg im Brockenlee (gelb umrandet) zeigen eine deutliche Temperaturerhöhung die auf eine inverse Temperaturschichtung der Luftmasse schließen lassen. Die Sperrschicht hat also ein Weitersteigen verhindert und damit die Wellenschwingung nach oben begrenzt. Christof konnte mit seiner LS 3 am Unterharz übrigens eine Höhe von 1600 m MSL erreichen. D. h. also am Oberharz, der ja im Mittel wirklich durchschnittlich 300m höher ist, ging es genau um diesen Betrag höher.

Schaut man sich den Aufstiegstemp noch etwas genauer an, dann fallen im Höhenband bei ca. 1600m (rote Ellipse) und noch deutlicher zwischen ca. 1100 – 1300 m NN (grüne Ellipse) isotherme Bereiche im Temp auf.

Handelt es sich hierbei um die Rekonstruktion der im Luv-Temp von Bad Gandersheim sichtbaren Isothermie zwischen 600 – 1600 m NN ?

Diese Frage können wir im Moment nur stellen - geschweige denn beantworten.

Halberstadt 1600MESZ

Abb. 9: So sah die Föhnlücke am Oberharz kurz nach unserer Landung in Aschersleben aus (Quelle: Wohnungsbaugenossenschaft Halberstadt Betreiber der Webcam).

 

 Mit dem Bild der Halberstädter Webcam, die ja genau auf den Harz ausgerichtet ist und die angedeutete „Föhnlücke“ im Lee des Oberharzes zeigt, möchte ich die Schilderung unseres ersten Wellentages in diesem  Herbst beenden und uns für die kommende Saison schöne Flüge und interessante Beobachtungen in der Harzwelle wünschen.

 

 

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