Sie sind hier: Startseite / Berichte / 2018 / 28.+29.01.2018/NW (Rhön) / Flugbericht Rhön, 28./29.1.18, Christof Maul

Flugbericht Rhön, 28./29.1.18, Christof Maul

erstellt von Christof Maul zuletzt verändert: 19.02.2018 21:08

Die Vorhersagen zeigen eine klassische Nordwestlage mit einem Hoch über West- und einem Tief über Nordeuropa.

Bodenanalyse-Karte ZAMG, 28.1.18, 12 UTC  Bodenanalyse-Karte ZAMG, 29.1.18, 12 UTC

Rhön oder Erzgebirge? Am 27. Januar kommt ein Ok aus Bad Neustadt. Dahin ist es auch weniger weit von Braunschweig aus, also wird es die Rhön. Der DWD prognostiziert brauchbare Wellen bei westlichen bis nordwestlichen Winden mit Geschwindigkeiten von 70 km/h bis 90 km/ in 3000 m.

 DWD-Wellenvorhersage 3000m, 28.1.18  DWD-Wellenvorhersage 3000m, 29.1.18

Vorweg: Der Empfang und die Unterstützung in Bad Neustadt waren phänomenal. Ihr habt mir ge­holfen, den Flieger auf- und wieder abzubauen, Ihr habt mich im Vereinsheim übernachten lassen, und Ihr habt nur für mich zwei Mal einen Flugbetrieb auf die Beine gestellt. Vielen, vielen Dank da­für!

Die Flüge sind im OLC und in Skylines dokumentiert: 28.1.18, 29.1.18.

Sonntag, 28.1.2018


Der Morgen des 28.: Es ist wie so oft. Um 5 Uhr Aufstehen, Blick aus dem Fenster: Nass. Blick ins Regen-Radar: Nass. Blick aufs Sat-Bild (IR, im VIS sieht man ja nichts mitten in der Nacht); Ah­nung einer Verbesserung am Vormittag. Also zweifelnd los. Unterwegs Radio-Wetter: Südwestwind, falsche Richtung. Schauer. Immerhin: Stürmische Böen im Gebirge. Also weiter. Die Rhön rauf im Nebel, Staubewölkung. Am Platz 8/8, Untergrenze knapp unter Windenausklinkhöhe. Aber im Westen eine Wolkenkante, dahinter ist es etwas heller.

In der Staubewölkung auf der Luvseite der Rhön Blick vom Flugplatz nach Westen: Die Wolkenkante markiert die Föhnlücke.

Etwas später hänge ich am Schleppseil, und der Schlepppilot zieht den ebenso zweifelnden wie hof­fenden Segelflugpiloten in Windenausklinkhöhe durch mäßige Rotorturbulenzen auf die helle Kante zu, wegen des starken Gegenwinds mit flotten 150 km/h. Da ich ja vermutlich, wenn alles klappt wie geplant, am Nachmittag denselben Weg zurück werde nehmen müssen, identifiziere ich vor­sichtshalber geeignete Außenlandemöglichkeiten zwischen der Wolkenkante und dem Platz. Die Saalewiesen sehen landbar aus, aber sind sehr nass. Sehr sehr nass sogar. Die helle Kante ist 8 km vom Platz entfernt und dahinter, wie erhofft, eine echte Wolkenlücke. Rein rechnerisch ergibt das für den Rückweg bei einer Wolkenuntergrenze von 500 m eine benötigte Gleitzahl von 16, und Rückenwind sollte ich ja auch haben. Die Rechnung beruhigt, auch wenn ich weiß, dass man im Rotor auf unliebsame Überraschungen gefasst sein muss.

In der Lücke angekommen, ist sofort klar, dass die Welle steht. Es wird hell, das Vario springt nach oben, kurze Zeit später sind die Wolken neben statt über mir, die Turbulenzen lassen nach, und ich klinke aus. Laminares Steigen mit 1.5 m/s bis 2 m/s. Ich steige über der Lücke auf 2000 m, um mir einen Überblick über die Wolken von oben zu verschaffen.

 Barogramm von Start, Welleneinstieg und Durchstieg durch die Wolkenlücke. Cockpit-Sicht von Welleneinstieg und Durchstieg durch die Wolkenlücke.

Unter mir nahezu geschlossene Stratocumulus-Schicht, im Lee der Rhön, die ich nicht sehen kann, deutlich gewellt und mit isolierten, offenen Föhnlücken. Dementsprechend sieht es auch unter den Wolken am Platz aus. Und der Ballon aus Meiningen sieht die Feuchte ebenfalls.

Ich bin in der zweiten Schwingung des Kreuzberg eingestiegen, fliege darin zunächst knapp 20 km nach Norden ins Lee der Wasserkuppe, wo die nächste offene Lücke ist, fliege wieder zurück, hole mir im Kreuzberg-Lee 2800 m Höhe und springe dann vor in die Primärschwingung. Das kostet 300 m Höhe, bei einem durchschnittlichen Sinken von 4 m/s und einer Wellenlänge von etwa 6.5 km. Ein Kreis im aufsteigenden Ast der Welle verrät mir Windrichtung und -geschwindigkeit: 290° bis 300° mit 60 km/h bis 70 km/h. Das passt nahezu perfekt zur DWD-Vorhersage.

 Stratocumulus-Schicht mit Wolkenlücken der ersten und zweiten Schwingung von oben.  Temp von Meiningen, 12 UTC.

Die Primärwelle lässt sich im Norden ausfliegen bis Bad Salzungen. Da lockert der Dietrichsberg (669 m) als letzte Erhebung der Rhön vor der Werra die Bewölkung noch einmal ein wenig auf. Weiter nördlich ist in der Bewölkung keine Struktur mehr erkennbar. Am Horizont im Osten sieht man recht gut ausgeprägte Wolkenlücken am Thüringer Wald, der hier nur noch 30 km entfernt ist. Aus größerer Höhe könnte man den Sprung hinüber wohl wagen, aber ich bin ohne Transponder (und infolgedessen auch ohne Sauerstoff) unterwegs. Der QNH beträgt zwar 1034 hPa, so dass FL100 erst in etwa 3150 m Höhe beginnt, aber bei der geschlossenen Bewölkung über dem Werra­tal ist der Sprung mit dieser Höhe nicht zu verantworten.

Im Süden kann ich der Föhnlücke folgen bis zur Linie Bad Kissingen - Bad Brückenau. Das sind in der Luftlinie immerhin gut 60 km, eine Entfernung, die ich, immer den gleichen Abstand zum Rhönkamm haltend, ohne Höhenverlust im Geradeausflug zurücklegen kann. Die gut ausgeprägten Lücken im Lee der Wasserkuppe und des Kreuzbergs sind den ganzen Tag über stabil, so dass ich mit der gebotenen Vorsicht und unter ständiger Beobachtung der Wolkenschicht unterhalb die Stre­cke mehrfach hin- und herfliegen kann. Lediglich in der Höhe kommt am Nachmittag mehr Feuchte herein, und unterhalb des dünnen Cirrenschirms, der schon morgens die Sonneneinstrahlung etwas gemindert hat, bilden sich am Nachmittag schöne Lenticularis-Wolken. Besonders stimmungsvoll wird es später mit indirekter Beleuchtung durch die tief stehende Sonne.

Lenticularis Abendstimmung

Der Abstieg am späten Nachmittag geht durch das Einstiegsloch vom Morgen hindurch, 8 km vom Flugplatz entfernt, nach Rücksprung in die Sekundärschwingung. Der Rückenwind schiebt wie er­hofft, der Anflug ist entspannt, es reicht sogar für eine ordentliche Landeeinteilung.

In der OLC-Wertung hat die Jojo-Fliegerei am Ende mehr als 300 km Strecke ergeben bei einem Schnitt von über 100 km/h. Das gelingt mir mit der LS3 ohne Wasser nicht einmal an sehr guten Thermiktagen.

Satellitenbild 28.1.18 Satellitenbild mit Flugspur , 28.1.18

Morgen, Montag, soll es übrigens noch einmal gehen. "Ja, natürlich kriegen wir dich in die Luft", ist die lapidare Antwort. Ich erhalte den Schlüssel fürs Vereinsheim in die Hand gedrückt. Dort ist geheizt, es gibt eine Toilette und eine Dusche mit warmem Wasser. Was braucht man mehr?

Montag, 29.1.2018


Am Montag wiederholt sich das Ganze im Wesentlichen. Der wesentliche Unterschied ist der stär­kere Wind mit mehr Westkomponente: 270° mit 90 km/h. Das hat zwei merkliche Konsequenzen.

Zum Einen verbrauchen die Sprünge zwischen den Schwingungen mehr Höhe. Die Wellenlänge be­trägt 9 km statt 6.5 km, und der Gleitwinkel über Grund ist wegen des stärkeren Windes schlechter. Der Sprung gegen den Wind benötigt heute 700 m anstatt 300 m wie gestern, und das Sinken zwi­schen den Wellenaufwinden beträgt 6 m/s anstatt 4 m/s, was vor allem der höheren Vorflugge­schwindigkeit geschuldet ist. Auch der Rücksprung an anderer Stelle kostet 600 Höhenmeter. Grund dafür ist aber eher ein schlecht gewählter Flugweg.

Zum Anderen führt die starke Westkomponente dazu, dass, anders als in der Vorhersage gerechnet, sich kein durchgehendes Steiggebiet im Lee der Rhön gebildet hat, sondern einzelne isolierte Steig­gebiete mit dazwischen liegenden Sinkgebieten.

Zudem sieht die Stratocumulus-Schicht aus dem Cockpit noch dichter aus als gestern, ein subjekti­ver Eindruck, der durch die Satelliten- und die Webcam-Bilder aus Bad Neustadt jedoch nicht bestä­tigt wird.

Die Welle trägt auch heute im Norden bis nach Bad Salzungen. Die Aussicht allerdings, dort durch ein Wolkenloch unter die Stratocumulus-Schicht absteigen zu müssen, wenn sich die Lücken am Flugplatz schließen sollten, und sich dann in 40 km Entfernung in 500 m über Grund im Rotor wie­der zu finden, behagt mir nicht, und ich entschließe mich zur Rückkehr nach Bad Neustadt. Mit 90 km/h Wind steige ich noch einmal ortsfest über der Einstiegs-Lücke auf FL100 und breche dann den Flug vorzeitig ab.

Der Rückflug unter der Wolkendecke ist heute deutlich ungemütlicher als gestern. Erstens ist es viel turbulenter, und zweitens fliege ich direkt nach dem Abstieg durch das Wolkenloch durch kräftiges Sinken, das erst nachlässt, als ich beginne, mir über eine Landung auf den Saalewiesen Gedanken zu machen. Wegen des starken Crosswindes ist es dann egal, in welcher Richtung ich lande, und ich entschließe mich zu einer Direktlandung aus am Ende doch noch komfortabler Höhe.

Satellitenbild, 29.1.18  Satellitenbild mit Flugspur, 29.1.18

Kurz-Zusammenfassung


Backup-Navigation

Eine terrestrische Navigation ist oberhalb einer Stratocumulus-Schicht nicht möglich. Deshalb soll­te auf alle Fälle eine Backup-Navigationssystem mit unabhängiger Spannungsversorgung an Bord sein, um bei Ausfall des ersten Systems nicht die Orientierung zu verlieren.

Wellen-Vorhersage-Qualität (DWD)

Die DWD-Wellenvorhersagen im Rhön-Lee haben einigermaßen gut gestimmt, am Sonntag besser als am Montag. Die Sekundärwelle war in der Vorhersage nur teilweise enthalten und an beiden Ta­gen zu weit ins Lee gerechnet. Die Visualisierung der Steiggebiete (als Luftraum A) ist mit dem Wavemap-Programm von Benjamin Bachmaier erfolgt.

 Wellenvorhersage mit Flugspur, 28.1.18  Wellenvorhersage mit Flugspur, 29.1.18

Streckenflug-Potenzial

Die Satellitenbild vom Montag zeigt die Wellenstruktur in südlicher Richtung bis zum Lagr Ham­melburg. Aufgrund der Stratocumus-Schicht war das leider nicht ausfliegbar. Leesitig sind bis zu 6 Schwingungen erkennbar, die östlichste davon kurz vor Coburg. Außerdem sollte der Thüringer Wald erreichbar sein, der bei ausreichend westlichen Windkomponenten ebenfalls anschwingen müsste.

Artikelaktionen