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Wellenphysik

erstellt von Jörg Dummann zuletzt verändert: 05.12.2011 19:19
ACHTUNG! In aktueller Bearbeitung befindlich!

Im Verlauf des einführenden Kapitels über Schwerewellen habe ich zur Beschreibung des Phänomens einige Begriffe gebraucht, die scheinbar synonym zu verwenden sind.

In der Segelflieger-Alltagssprache geschieht dies ebenso. Es ist die Rede von "Schwingungen", "Wellen", "Oszillationen" vielleicht auch exotischer von "Undulationen"...  eine Luftmasse muss "schwingungsfähig" sein, wenn sie "Wellen" erzeugen können soll...

Für die Entwicklung der weiteren Gedankengänge ist es unabdingbar, dass diese Begriffe in dem Sinn verwendet werden, wie sie in der Physik definiert sind.

"Eine Schwingung (auch Oszillation) bezeichnet den Verlauf einer Zustandsänderung, wenn ein System auf Grund einer Störung aus dem Gleichgewicht gebracht und durch eine rücktreibende Kraft wieder in Richtung des Ausgangszustandes gezwungen wird."

(Quelle: wikipedia-Artikel "Schwingung" - unglücklicherweise wird in dem Artikel als anschauliches Beispiel für eine Schwingung ein Foto eines Lenticularis-markierten Leewellen-System benutzt)

Anschauliche Beispiele für eine (mechanische) Schwingung liefern etwa die Bewegung eines Federpendels oder einer Schaukel (Fadenpendel).

 

"Eine Welle ist in der Physik ein räumlich und zeitlich veränderliches Feld, das Energie, jedoch keine Materie, durch den Raum transportiert."

(Quelle: wikipedia-Artikel "Welle")

 

Diese Ausbreitung der Energie in den Raum bei einer Welle ist ein wesentlicher Unterschied zur Schwingung, wo die Energie nur zwischen zwei Orten hin- und herpendelt.

Um dem Wesen der atmosphärischen Schwerewellen näher auf die Spur kommen zu können, müssen wir uns also damit befassen, auf welche Art und Weise Wellen Energie durch den Raum transportieren können.

Und wir müssen feststellen:

Das Denkmodell der hydrostatischen Schwingung als Leewellenmechanismus krankt an dem Fehlen eines Prozesses, durch den eine horizontale Ausbreitung dieser Schwingung ermöglicht wird. Erst durch einen solchen wird die hier thematisierte vertikale Schwingung zur Welle.

Transversalwellen

Tatsächlich gibt es nun einen Wellentypus, der sich als eine vertikale Schwingung, die sich horizontal ausbreitet, darstellt – oder allgemeiner ausgedrückt: ein Wellentypus, dessen Ausbreitungsrichtung senkrecht zur Schwingungsrichtung liegt. Eine solche Welle wird als Transversalwelle bezeichnet.

Das ist nun eine sehr verführerische Möglichkeit, das hydrostatisch bedingte Auf- und Abschwingen des betrachteten Luftpakets (oder einer "Luftsäule" oder gar eine quer zur Windrichtung, parallel zum Hindernis ausgedehnt gedachte Säule - also ein langgestreckter, senkrechtstehender flacher Quader) sich seitlich fortpflanzen zu sehen. Kann nun eine Leewelle solch eine Transversalwelle sein?

Leider nicht: der Energietransfer zwíschen den gedachten gegeneinander versetzt vertikal schwingenden "Paketen" (1D), "Säulen" (2D) oder „Scheiben“ (3D) in einem Medium geschieht allein über die Reibung. Eine auf- und abschwingendes „Segment“ schleppt das benachbarte mehr oder weniger mit, je nach Größe der auftretenden Reibung. In flüssigen und gasförmigen Medien spielt die Reibung, wie sie für einen solchen Prozess notwendig ist, allerdings keine Rolle, so dass es dort keine Transversalwellen geben kann. Nur in festen Medien kann dieser Wellentypus auftreten.

Transversalwelle

Der Transversalwellentypus funktioniert nur bei ausreichender innerer Reibung des Mediums
(Schema links - keine innere Reibung, keine Ausbreitung, Schema rechts - vorhandene innere Reibung, beidseitige Ausbreitung von der in der Mitte der Darstellung befindlichen, vertikal ausgelenkten Säule)


Transversalwelle animiert

Animiertes Schema einer Transversalwelle
(Nach Links-Klick auf die Grafik startet die Animation in einem neuen Fenster)
[Quelle: http://physics-animations.com/Physics/English/wav_txt.htm]
Die Welle wandert von rechts nach links, indem jedes Teilchen seine vertikale Ortsveränderung verzögert an den linken  Nachbarn "weiterreicht" - ihn "mitnimmt".

 

Beispiel: Horitzontal gespanntes, schwingendes Seil

Transversalwellen werden z.B. bei Erdbeben beobachtet.

Longitudinalwellen

Longitudinalwellen breiten sich in Richtung ihrer Schwingung aus – nicht senkrecht dazu.

Longitudinalwelle

Der Longitudinalwellentypus
(hier dargestellt in einem kompressiblen/elastischen Medium. Ein Impuls pflanzt sich hier von links nach rechts fort)

Longitudinalwelle animiert

 

Animiertes Schema einer Longitudinalwelle
(Nach Links-Klick auf die Grafik startet die Animation in einem neuen Fenster)
[Quelle: http://physics-animations.com/Physics/English/wav_txt.htm]
Die Welle wandert hier - umgekehrt wie oben - von rechts nach links. Obwohl jede Kolumne nur regelmäßig seitlich hin- und herschwingt, läuft ein Kompressionsbereich kontinuierlich von rechts nach links.
Wellen sind "Energie auf Reisen".

Das bekannteste Beispiel für diese Wellenart sind Schallwellen (sich fortpflanzende Druckschwingungen).

 

Laute metallische Schläge in Wasserleitungssystemen, die manchmal nach dem schlagartigen Schließen eines laufenden Wasserhahns zu hören sind, werden von der durch die abrupte Abbremsung des Zustroms ausgelösten, rückwärts laufenden Longitudinalwelle in der Wassersäule der Leitung verursacht. Dann nämlich, wenn diese, sich von dem geschlossenen Wasserhahn entfernend,  z.B. auf den Abschluss einer blind endenden Rohrleitung prallt.

Longitudinalwellen werden auch bei Erdbeben beobachtet.

Rayleigh-Wellen

Mischwellentypus

Rayleigh-Welle als Mischform aus Longitudinal- und Transversalwelle


Mischwellentypus, animiert

Animiertes Schema einer Rayleigh-Welle
(Nach Links-Klick auf die Grafik startet die Animation in einem neuen Fenster)
[Quelle: http://physics-animations.com/Physics/English/wav_txt.htm]

Rayleigh-Wellen werden bei Erdbeben beobachtet.

Wellen in Fluiden

Keine Tranversalwellen durch nicht ausreichende innere Reibung

Reduzierung des Denkmodells von Stabilitätsbetrachtungen auf Dichtesprünge/Grenzflächen

Druckgleichgewicht (statisch/dynamisch)

Als Beispiel für diese Wellenart in einem Wasserkörper können Tsunamis dienen, die sich direkt nach ihrer Auslösung durch ein Seebeben in tiefen Gewässern ausschließlich in dieser Form mit enorm hohen Geschwindigkeiten von mehreren hundert Km/h ausbreiten, ohne auch nur eine merkliche Aufwölbung des Wasserspiegels zu verursachen.

Wasserwellen

Aber Schwerewellen an einer Wasseroberfläche scheinen zu bezeugen, dass diese Feststellung falsch ist: ist es doch eine alltägliche Erfahrung, dass vertikale Oszillationen der Wasseroberfläche, die etwa von einem in das Wasser geworfenen Stein oder von dem über einen Teich streichenden Wind herrühren mögen, sich ausbreiten. Trotz der eben konstatierten fehlenden Reibung für diesen Prozess?

Wasseroberfläche mit Ringwelle

Aber der augenscheinliche Eindruck führt hier in die Irre. Im Falle der (Wasser-) Oberflächenwellen ist lange bekannt – aber weithin wenig bewusst – dass sie eine Mischung aus dem (Quasi-) Transversalwellentypus und einem als Longitudinalwelle bezeichneten Mechanismus sind.

(Hier im strengen Sinn von Transversalwellenanteilen zu sprechen ist sicher problematisch, denn der kennzeichnende Ausbreitungsmechanismus dieses Wellentypus' funktioniert ja - wie festgestellt - im Wasser nicht. Es handelt sich um einen hydrostatischen Effekt, den es im Folgenden noch zu untersuchen gilt.)

Im Fall der Schwerewellen an Wasseroberflächen sind die beiden geschilderten Prozesse in einer Art und Weise gekoppelt, die mit dem energetischen Verhalten einer Schaukel  vergleichbar ist: potentielle Energie wird in die kinetische Energieform umgewandelt und umgekehrt.

Jedes Herausheben einer Wassersäule über die Wasseroberfläche hinaus wird von einer umgehend eintretenden seitlichen Ausbreitung der Wassermasse begleitet werden - und umgekehrt.  Die idealisierte Situation, die auf der Abbildung oben "Transversalwellentypus", linker Teil,  dargestellt ist, kann niemals real eintreten.

Oder mit anderen Worten: jeder Betrag an potentieller Energie, der gewonnen worden ist, wird in kinetische Energie umgewandelt werden, sobald ein gewisser Gleichgewichtszustand zwischen beiden Energieformen überschritten worden ist - und umgekehrt.

Der Wellentyp, den wir hier fokussieren, besteht aus regelmäßigen Fluktuationen um das Gleichgewicht der beiden unterschiedlichen Energieformen. Die Wellentäler sind dominiert von der kinetischen Energieform, die Wellenkämme von der der potentiellen.

Die longitudinale Komponente der Wellenbewegung treibt die horizontale Ausbreitung an.

Der duale Charakter dieses Wellentypus ist der Grund für die Orbitalbewegung, die Wasserteilchen und "Tracerpartikel" ausführen, wenn eine Wasserwelle "vorbeischwingt"

Orbitalbewegung

Animiertes Schema der Orbitalbewegung in einer (Wasser-) Schwerewelle
(Nach Links-Klick auf die Grafik startet die Animation in einem neuen Fenster)
[Quelle: http://physics-animations.com/Physics/English/wav_txt.htm]

Wenn ein Wellenkamm herannaht, schwingt ein Tracer-Partikel nahezu horizontal auf denselben zu, wird dann angehoben und folgt dann der Welle wiederum vornehmlich horizontal in die entgegengesetzte Richtung wie vorher, um dann abzusinken, während er beginnt, wieder in Richtung des folgenden Wellenkamms zurückzuschwingen.

Dies läßt sich anschaulich auch in einem einfachen Laborversuch beobachten:

Orbitalbewegung an der Wasseroberfläche

(Nach Links-Klick auf die Grafik startet das Video (0,7 MB))
[Quelle: http://www.ieap.uni-kiel.de/plasma/ag-piel/vorl/kap42/cork.mpg]

Und wunderbar am eigenen Leibe zu erfahren ist das beim Baden in der Brandung...

Atmosphärische Wellen...

Der Frage folgend, welcher Prozess wohl die Ausbreitung von Leewellen gegen den Wind bedingen könnte - um so den Effekt einer stehenden Welle hervorrufen zu können - ist es plausibel anzunehmen, dass die eben beschriebene Wellenart in einem gasförmigen Medium in vergleichbarer Art und Weise auftreten können wird. Dabei wird sie nicht - wie im Falle des Wassers - an die Oberfläche des Mediums gebunden sein können, sondern an Diskontinuitäten in dessen vertikalen Dichteverlauf. In der Erdatmosphäre sind solche Dichtesprünge verbreitete Phänomene - in Gestalt von Inversionsschichten.

Und schon einfache Beobachtung der Natur scheint diese Vermutung auf rein phänomenologische Weise stützen zu können.

Eine thermischer Aufwind gekrönt von einer Cumulus-Wolke, der eine von einem Stratus markierte Inversionsschicht durchstößt, erzeugt das gleiche Wellenmuster, das sich auch in vergleichbarer Weise an einer Wasseroberfläche bildet, wenn man z.B. einen Stein auf diese wirft.

Inversion mit Ringwelle

[Quelle: http://www.cepolina.com/freephoto/f/nature.water.clouds/cloud.hill.jpg]


...wird fortgesetzt!

Um eine stehende Welle aufbauen zu können, muß diese horizontale Ausbreitungsgeschwindigkeit genauso groß sein, wie die, mit der die Luftmasse über Grund versetzt wird – nur in umgekehrter Richtung wirken. So gleichen sich Ausbreitungs- und Windgeschwindigkeit aus und die Welle arbeitet auf der Stelle (über Grund).

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